Nantucket – Tag 1

Ab heute gibt’s erst mal etwas Urlaub vom Urlaub.

Bisher hatte ich doch eher ein Programm à la japanischer Tourist guckt sich in zwei Wochen ganz Europa an. Ganz so schlimm war es zwar nicht, da ich einige Sachen bewusst weggelassen habe, aber ich muss doch sagen, dass ein relativ schneller Reisestil mit vielen Ortswechseln und viel Sightseeing in kurzer Zeit zwar ne Menge Spaß macht, aber auch kräftezehrend sein kann. Glücklicherweise habe ich mehr als genug Zeit. mir zwischendurch immer mal wieder ein paar Tage Auszeit zu gönnen und die Akkus wieder aufzuladen. Der Zeitpunkt war jetzt gekommen und ich hatte erst mal keine Ahnung, wohin es in den Urlaub gehen sollte, also erstmal den Blick über die Karte schweifen lassen… Bahamas… Jaaa klingt nicht schlecht. Kurz mal nach Flügen geguckt. Oh nur ca. 200 Euro für Hin- und Rückflug… Liegt ja preislich glatt noch im Rahmen. Unterkünfte: na gut zwar n bisschen teurer aber okay, was kostet die Welt… Lange Rede kurzer Sinn: Ich bin nicht auf die Bahamas gefahren. Waaaaaas? Bist du bescheuert? Bahamas alter! Ja nee ist schon klar, aber das ist nicht das, worum es geht. Hätte ich mit traumhaften Strandzielen angeben wollen, wäre ich in die Südsee geflogen. Natürlich sind die Bahamas schön und sicherlich auch zum Entspannen geeignet, aber der Transport dahin wäre doch eher anstrengend gewesen. Die billigsten Flüge gab es ab New York, also hätte ich zunächst dahin gemusst, dann der ganze Transport zwischen Flughafen und Stadt, das wäre doch alles etwas zu viel gewesen.

Ich habe mich also weiter nach potentiellen Zielen in der näheren Umgebung umgesehen. Immerhin liegt die Ostküste, wie der Name ja schon sagt, auch am Meer. Nach kurzer Suche fiel mein Blick auf Nantucket. Kurz mal die Google Bildersuche bemüht und siehe da: ein wirkliches nettes Fleckchen Erde. Okay also mal gucken wie man dahin kommt… Etwas mehr als ne Stunde mit dem Bus von Boston aus und dann nochmal gute zwei Stunden mit der Fähre. Da die Fahrt mit der Fähre für mich schon zum Urlaub zählt, hörte sich das doch schon mal ganz gut an. Also ging es auf die Suche nach bezahlbaren Unterkünften. Aha, da liegt also der Hase im Pfeffer. Nantucketmist eine Ferieninsel für ziemlich reiche Menschen aus ganz Amerika. Es hat auch gleich einen eigenen Flughafen, damit es auch bequem per Privatjet zu erreichen ist. Dementsprechend teuer waren natürlich auch die Unterkünfte. Es gab kein Bed & Breakfast für unter 200 $ pro Nacht. Das sprengt mein Budget dann doch deutlich. Doch dann fiel mir zum Glück ein, dass ich ja noch bei Couchsurfing angemeldet bin und damit schon einmal in Kopenhagen super Erfahrungen gemacht habe (hiermit nochmal einen Gruß an Bill). Also habe ich dort mal geschaut und es gibt tatsächlich einige Couchsurfer auf der Insel. Ein 26 jähriger Lehrer machte auf mich einen echt sympathischen Eindruck und ich dachte mir, dass ich mich mit ihm bestimmt gut verstehe. Leider kamen bereits Bekannte seiner Freundin an diesem Datum zu Besuch, sodass er mich nicht aufnehmen konnte. Er empfahl mir jedoch einen weiteren Couchsurfer, der wohl öfters Besuch bekommt und gerne Leute aufnimmt. Ich habe mir dann dessen Seite angesehen und alle Kommentare von vergangenen Gästen waren durchweg positiv. Also habe ich eine Anfrage gesendet und eine positive Rückmeldung bekommen. Ich habe ihn dann angerufen und wir haben abgemacht, dass ich mich melde, sobald ich auf der Insel bin.

Ich bin also mit dem Bus am Freitagmittag von Boston aus nach Hyannis gefahren, wo die Fähre nach Nantucket ablegt. Leider fährt auf dieser Strecke kein Greyhound Bus, sodass ich ein Ticket bei einer anderen Gesellschaft kaufen musste. War aber mit 19 $ ganz erschwinglich. Bei der Rückfahrt nach Boston habe ich erfahren, dass auf der Strecke ein Peter Pan Bus fährt. Peter Pan ist ein Partnerunternehmen von Greyhound und hätte meinen Pass akzeptiert. Naja hinterher ist man ja immer schlauer.

In Hyannis angekommen, war es nur ein kurzer Fußmarsch vom Busbahnhof bis zur Fähre. Die Fähre lag auch schon im Hafen und ich musste mir nur noch ein Ticket kaufen und an Bord gehen. Das Ticket war mit 17,50 $ für die zweistündige Überfahrt auch nicht allzu teuer. Auf der Fähre angekommen hab ich mich auf einen der sehr bequemen Stühle unter Deck gesetzt und ferngesehen. Es lief den ganzen Tag eine Sondersendung über das Massaker bei der Batman-Filmpremiere in einem Kino in Colorado. Zwar hatte mich einer meiner Zimmergenossen bereits morgens im Hostel gefragt, ob ich schon gehört hätte, was passiert sei, aber so genau wusste ich immer noch nicht was vorgefallen war. Im Laufe der Sondersendung war ich immer erschreckter von der Brutalität und scheinbaren Berechnung beim Töten der Kinobesucher. Ich will das jetzt hier auch gar nicht weiter kommentieren. Ich denke abscheulich und geisteskrank trifft es.

Beim Ablegen bin ich kurz nach oben auf Deck gegangen, um ein paar schöne Fotos von Cape Cod zu machen. Cape Cod ist die Halbinsel, auf der Hyannis liegt und ihrerseits auch als Ferienort sehr beliebt. Die Überfahrt war relativ ereignislos. Ich habe ein bisschen was für den Blog geschrieben oder weiter ferngesehen. Als wir uns Nantucket näherten bin ich dann noch einmal an Deck gegangen, um ein paar Fotos zu schießen.

Mittlerweile hatte mir Erik – mein Couchsurfing Host – auch eine SMS mit seiner Adresse geschickt. Da ich auf der Fähre WLAN hatte, hatte ich mir bereits die Route zu seinem Haus rausgesucht und beschlossen, zu Fuß dorthin zu gehen. Es war doch irgendwie weiter als gedacht und nen kleinen Umweg bin ich glaub ich auch noch gelaufen, aber so hatte ich wenigstens schon mal die Möglichkeit, mir Nantucket etwas anzusehen und ich muss sagen: Das ist echt ne schöne Insel. Es gibt nen Yachthafen mit einigen echt übertriebenen Yachten und ne Menge teure Geschäfte an den Hauptstraßen des Ortes. Um Zu Erik zu gelangen musste ich den eigentlichen Ort jedoch verlassen und kam in eine kleine Siedlung etwas außerhalb, in dem der Reichtum dann auch deutlich nachließ. Erik lebt in einem kleinen Doppelhaus, dessen eine Hälfte er vermietet und die andere bewohnt. Überall lagen Sachen rum und es machte einen etwas unordentlichen Endruck, aber trotzdem war’s irgendwie nett. Ich habe also versucht zu klingeln, aber irgendwie funktionierte die Klingel nicht. Also habe ich geklopft, aber keine Antwort erhalten. Ich bin dann mal ums Haus rumgegangen und habe Hallo gerufen, aber wieder hat niemand geantwortet. Ich hab auch eher damit gerechnet, dass er ganz amerikanisch mit ner Schrotflinte aus dem Gebüsch gesprungen kommt und mich abknallt, aber nichts dergleichen ist passiert. Was mich ein bisschen wunderte war, dass die Hintertür offen stand. Ich ging zurück vors Haus, rief Erik an und fragte ihn, ob er zuahause ist. Er sagte nein, aber dass ich ruhig ins Haus gehen, mich umsehen und meine Sachen in mein Zimmer bringen soll. Das habe ich dann auch gemacht.

Mein Zimmer gehört offensichtlich Eriks Tochter, die nicht bei ihm lebt. Es gab noch ein weiteres Zimmer oben, welches seinem Sohn gehört, der zeitweise bei ihm lebt und zum College geht. Zwischen diesen beiden Zimmern gab es noch ein Badezimmer. Unten war Eriks Schalfzimmer, ein weiteres Badezimmer und Küche/Wohnzimmer zusammen in einem Raum. Das war’s dann auch schon. Drinnen setzte sich der Eindruck von draußen fort: Alles irgendwie etwas unaufgeräumt und irgendwie wie von Flohmarkt aber doch sehr nett.

Da es mir irgendwie zu langweilig war, alleine in seinem Haus auf Erik zu warten, ging ich zu Fuß noch ein wenig die Nachbarschaft erkunden. Diese endete allerdings bald und ich fand mich mitten in der Natur wieder. Nantucket ist im Wesentlichen von dichtem Gebüsch und kleineren Bäumen bewachsen. Richtig hohe Bäume gibt es kaum.

Nach diesem kurzen Ausflug kehrte ich zu Eriks Haus zurück, um zu schauen, ob er schon zuhause war. Tatsächlich stand diesmal ein Auto vor der Tür und im Garten traf ich Erik, seinen Sohn, Eriks Bruder. Die drei waren gerade vom Fischen zurückgekehrt. Erik hat nämlich ein Boot, mit dem die drei öfters zum Fischen rausfahren. Erik und sein Bruder sind Fische, aber auch sonst macht Erik irgendwie noch andere Sachen, so baut er z.B. Surfbretter in einem großen Zelt in seinem Garten. Irgendwie bin ich nicht so ganz dahinter gekommen, was er alles macht, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Da es schon relativ spät war, wollte Erik das Abendessen zubereiten. Er hatte noch frittierten Fisch ein einem Teigmantel übrig, den er wieder aufwärmte, dazu machte er einen mega leckeren Salat. In der Zeit nahm sein Bruder eine Fisch aus, der noch auf dem Küchenpapier zuckte. Empfand ich persönlich als Tierquälerei, wollte ich den beiden aber dann doch nicht nach ner halben Stunde so direkt auf die Nase binden. Warum der Fisch nich am leben war weiß ich nicht, die anderen Fische waren alle schon tot und ausgenommen.

Nach dem Essen meinte Erik, er wolle noch “ice” holen. Ich dachte, er wollte vielleicht noch einkaufen fahren und begleitete ihn einfach mal, in der Hoffnung noch mehr von der Insel zu sehen (wenn es auch schon dunkel war). Als wir zu einer Eishalle kamen, merkte ich, dass ich einem Irrtum aufgesessen war. Speiseeis heißt “ice-cream”. Vor der Eishalle lag ein großer haufen Schnee/Eis, welches wohl von der Oberfläche der Eislauffläche stammte. Somit hatte sich auch meine Hoffnung auf einen leckeren Nachtisch erledigt. Er machte eine Kühlbox mit dem Eis voll, mit dem er seine Fische kühlen wollte. Dann fuhren wir wieder zurück und unterhielten uns noch ein wenig. Im Nachhinein fiel mir dann auch mal auf, dass ich gerade mit ihm Auto gefahren war, obwohl er beim Essen zubereiten doch schon den ein oder anderen Brandy zu sich genommen hatte, aber damit nahm er es jetzt nicht ganz so genau. Er erzählte mir, dass sie morgen früh raus wollten, um Fischen zu gehen und dass er leider nur ein kleines Boot habe und ich deswegen leider nicht mit rausfahren könne. Das machte mir aber auch nicht allzu viel aus, da ich nicht früh aufstehen und außerdem den Tag am Strand verbringen wollte.

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